Der Anfang
Hennig, aus Dir wird nie im Leben ein sportlicher Mensch. Du Pfeife!
So in etwa lautete die Ansage meines Sportlehrers, Ulrich G., in der ersten Klasse. Sie prägte mich lange Jahre, denn auch glaubte das und hielt mich für enorm unsportlich. Schon in der Unterstufe äußerte sich das, indem ich selbst nach einem 50m-Lauf mit krassem Seitenstechen zusammenbrach und irgendwann, als in der Schule auch 2000m auf dem Programm standen, regelmäßig Pausen machen musste. Nach Luft japsend, fast kotzend und selbstverständlich mit obligatorischem Seitenstechen.
Die Überzeugung, absolut unsportlich zu sein, hielt sich auch ganz hartnäckig während meiner 4jährigen Dienstzeit bei der Bundeswehr. Ich selbst bezeichnete mich gern als „Sportabwehrunteroffizier“, denn ziemlich schnell hatte ich es geschafft, durch den Bataillonsarzt „Sport nach eigenem Ermessen“ verordnet zu bekommen und diesen Status behielt ich selbst bei Versetzungen oder auf Lehrgängen bei.
Witzigerweise fiel mir auch nichts auf, als ich irgendwann im Alter von 10 oder 11 Jahren damit begann, jeden Tag viele Kilometer auf dem Fahrrad abzuspulen. Das war für mich einfach kein Sport, sondern Spaß.
Jahre später und inzwischen ohne jegliche sportliche Betätigung, hatte ich dann einen Unfall, der mir 30 Grad der Behinderung und eine dauerhafte Einschränkung der Gehfähigkeit einbrachte. Das hatte aber auch zur Folge, dass ich mich wieder bewegen musste und da ich inzwischen wieder regelmäßig mit dem Fahrrad fuhr, tauschte ich das gutmütige Trekkingrad gegen ein Trail-MTB und legte los. Aber das war eben „nur“ Fahrrad fahren, also kein Sport. Und dieses Fahrrad fahren endete dann irgendwann im nächsten Unfall. Nach einer Not-OP verbot mir mein Doktor Risikosportarten, ließ sich jedoch auf Rennradfahren ein.
Also kaufte ich mir ein Rennrad, setzte mich drauf und fuhr eine Runde. Im Februar, bei Schnee und Eis, 100 Kilometer aus dem Stand ohne großartig erledigt zu sein. Klar, schon in der Schule bin ich jeden Tag zwei- bis dreistellige Strecken geradelt. Aber das war ja nur Fahrrad fahren und kein Sport und so sah ich mich auch weiterhin als absolut unsportlich an, so sehr hatte sich die Ansage von Ulrich G. in mein Hirn gebrannt.
Das Ganze führte dann dazu, dass ich irgendwann auch mal 556km am Stück gefahren bin, Distanzen bis 300km quasi Alltagsgeschäft wurden. Aber das war eben nur Fahrradfahren.
Irgendwann „zwang“ mich einer meiner inzwischen unzähligen Physiotherapeuten auf ein Laufband. Nach wenigen Minuten brach ich gelangweilt ab. Kurz drauf jedoch hatte ich wieder das Laufband vor mir und bin einfach mal aus Jux eine Stunde lang darauf gelaufen. Absolut untrainiert, mit eingeschränkter Gehfähigkeit, die von jedem Schritt echte Konzentration einfordert, eine ganze Stunde lang. Und langsam dämmerte es mir.
Und es machte Spaß. Also begann ich damit, immer öfter auf dem Laufband zu laufen, stets eine Stunde und immer schneller. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, einfach mal draußen zu laufen. Also dieses Jogging. Was ja nun absolut nichts für mich war. Und was ich immer mit der Begründung weit von mir wies, die die meisten Menschen benutzen, um sich vor dem Laufen zu drücken: „Och nö, meine Knie machen das nicht mit!“.
Und dann kam es. Es machte enormen Spaß. Krass, das hätte ich nie geglaubt. Und so blieb ich dabei. Hier nun bei der Entwicklung zu sehr ins Detail zu gehen, führt wahrscheinlich zu weit. Was ich sagen kann: 20 Monate nach den ersten Laufversuchen lief ich über die Ziellinie des Berlin Marathon. Alles Weitere kam dann, weil es eben ging… 🙂